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09.10.2025

Ungewöhnliche Fronten im Parlament

Die Mehrheit, mit der die EU-Abgeordneten ihre Position zu den Anpassungen bei der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) verabschiedet haben, war deutlich. Trotzdem gab es bei der Abstimmung am Mittwoch (8.10.) im Straßburger Plenum dann doch einige Ausreißer innerhalb der Fraktionen. Dies galt vor allem für die ansonsten relativ geschlossen auftretende Europäische Volkspartei (EVP).
Die Berichterstatterin und EVP-Abgeordnete Céline Imart stellte sich klar hinter die geforderte Vertragspflicht. "Wir müssen den prekären Geschäftsbeziehungen, die derzeit bestehen, ein Ende setzen." Allzu oft, so der Vorwurf der Französin, seien diese zu unausgewogen. Denjenigen, die die Bürger ernährten, müsse eine faire Vergütung garantiert werden. Dabei müssten die Produktionskosten berücksichtigt werden. Die als politisch weit rechts geltende EVP-Abgeordnete bezeichnete gerade die Regelungen in den GMO-Artikeln 148 und 168 als "eine Frage von Gerechtigkeit, Würde und manchmal sogar Überleben".
Derweil unterstrichen ihre beiden deutschen Fraktionskollegen von CDU beziehungsweise CSU, Norbert Lins und Stefan Köhler, ihre Sorge über das Abstimmungsergebnis. "Wir haben bis zuletzt für mehr Flexibilität bei der Vertragsvergabe und gegen Zwangsvorgaben seitens der EU gekämpft." Das deutsche System ist aus Sicht der beiden Agrarpolitiker zwar nicht perfekt. Es gebe allerdings einige etablierte und gut funktionierende Strukturen, die dieser Gesetzesvorschlag nun bedrohe. Lins und Köhler warnten davor, dass verpflichtende schriftliche Verträge finanzielle Verluste "von bis zu einer Milliarde Euro für den deutschen Milchsektor" bedeuten könnten.
Die EVP hat einen "Fleischfetisch“"
Der Agrarsprecher der Grünen/EFA, Thomas Waitz, hatte bereits im Vorfeld der Abstimmung klargestellt, dass seine Fraktion mehrheitlich für das Mandat stimmen werde. Und das trotz des Änderungsantrags, demzufolge nur fleischhaltige Lebensmittel Bezeichnungen wie Wurst, Burger oder Schnitzel tragen sollen. Der EVP warf Waitz einen "Fleischfetisch" vor. Ähnlich wie Imart lobt er aber die geplanten Verbesserungen in den landwirtschaftlichen Lieferbeziehungen. Erleichtert zeigte er sich, dass vor allem deutsche EVP-Änderungsanträge zur Einkommenssicherheit von Milchbauern nicht erfolgreich waren.
Eine ganze Branche wird verunsichert
Die SPD-Agrarpolitikerin Maria Noichl kritisierte, dass die Diskussion um eine dringend notwendige Verbesserung der Position des Landwirts in der Lieferkette von der Debatte um das Verbot von allgemein gebräuchlichen Bezeichnungen wie dem "Veggie-Burger" überlagert wurde. "Mit einem Namensverbot für vegane Produkte schadet die EVP der deutschen Wirtschaft und den europäischen Verbraucherinnen und Verbrauchern." Laut Noichl ist Deutschland der größte Markt Europas für pflanzenbasierte Alternativprodukte. Eine ganze Branche werde dadurch verunsichert.
Gegen einen "Vertragszwang" sprach sich derweil die Abgeordnete der Freien Wähler, Christine Singer, aus. "Was als Schutz gedacht war, schwächt am Ende die Landwirte. Statt fairer Handelsbedingungen drohen mehr Bürokratie, weniger Flexibilität und sinkende Erzeugerpreise." Besonders kritisch sieht die Abgeordnete der liberalen Fraktion Renew Europe (RE) die verpflichtenden Lieferverträge, die künftig Preisbestandteile, Produktionskosten und Revisionsklauseln enthalten könnten.
Wir brauchen keine "Brüsseler Bürokraten"
Kritik an der EU-Parlamentsposition zu den Fleischbezeichnungen gibt es auch aus dem Bundestag. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Esra Limbacher, stellte klar, dass die Verbraucher sehr wohl selbst entscheiden könnten. "Niemand kauft versehentlich Tofu, wenn eigentlich ein Schweinesteak auf dem Einkaufszettel steht." Limbacher betont: "Das Letzte, was wir aktuell brauchen, sind Brüsseler Bürokraten, die uns erklären, was ein Schnitzel ist. Es besteht überhaupt kein Handlungsbedarf."
Ophelia Nick, Sprecherin für Landwirtschaftspolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, lobte die grundsätzliche Richtung des GMO-Änderungsvorschlags: "Wer Lebensmittel produziert, muss auch wissen, was er dafür bekommt." Doch genau das ist aus Sicht der Abgeordneten viel zu oft nicht der Fall. Dass Bauern Milch oder andere Produkte ablieferten, ohne zu wissen, welchen Preis sie am Ende dafür erhalten, bezeichnet Nick als "intransparent, unfair und marktwirtschaftlich unsauber". AgE