Verbände unterstützen Merz
Die Debatte um eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns hält an. Sechs Wirtschaftsverbände, darunter der Deutsche Bauernverband (DBV), der Deutsche Raiffeisenverband und der Handelsverband Deutschland, haben die schwarz-rote Koalition erneut davor gewarnt, die Höhe des Mindestlohns politisch festzulegen. Politische Eingriffe in die unabhängige Entscheidungsfindung der Mindestlohnkommission hätten fatale Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Verbände vom Montag (14.4.).
Die Wirtschaftsverbände erinnern an die "rein politisch motivierte" Festlegung des Mindestlohns auf 12 Euro zum 1. Oktober 2022. Damit sei der Mindestlohn deutlich angestiegen, bis dato um mehr als 30%. Insbesondere im Mittelstand könnten das viele Arbeitgeber inzwischen finanziell nicht mehr stemmen. Hinzu kämen die perspektivisch steigenden Lohnnebenkosten. Die Tarifautonomie habe in Deutschland aus gutem Grund Verfassungsrang und müsse vor politischen Eingriffen geschützt bleiben. Der Staat habe sich daher aus der Lohnfindung strikt herauszuhalten. Auch indirekte politische Zielmarken wie im aktuellen Koalitionsvertrag seien daher nicht akzeptabel, weil sie der Arbeit der unabhängigen und paritätisch besetzten Mindestlohnkommission vorgreifen können.
15 Euro "nicht gewiss"
Die Auseinandersetzung um den Mindestlohn hatte am Wochenende durch Äußerungen von CDU-Parteichef Friedrich Merz neue Nahrung erhalten. Eine Erhöhung auf 15 Euro sei "nicht gewiss", so Merz in einem Zeitungsinterview. Das habe man "so nicht verabredet", erklärte der designierte Bundeskanzler mit Blick auf den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Darin haben sich Schwarz und Rot tatsächlich darauf verständigt, an einer starken und unabhängigen Mindestlohnkommission festzuhalten. Für die weitere Entwicklung des Mindestlohns, so wird in der Vereinbarung hinzugefügt, werde sich die Mindestlohnkommission "im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60% des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren". Auf diesem Weg sei ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar, lautet die entsprechende Formulierung im Koalitionsvertrag.
Die Gewerkschaften interpretieren die Europäische Mindestlohnrichtlinie so, dass der Mindestlohn 60% eines mittleren Lohns betragen muss. Ihren Berechnungen zufolge würde das auf einen Wert von gut 15 Euro hinauslaufen. Demgegenüber sehen die Arbeitgeber im "Bruttomedianlohn" lediglich eine Orientierungsgröße, die die Mindestlohnkommission neben weiteren wichtigen Kriterien einbeziehen müsse. Würde die EU-Richtlinie den Referenzwert von 60% des Bruttomedianlohns verbindlich vorgeben, bräuchte es keine Mindestlohnkommission mehr, argumentiert beispielsweise der Gesamtverband der deutschen Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA), der ebenfalls zu den Unterzeichnern der Verbändeerklärung zählt.
Die Entscheidung der Mindestlohnkommission vom Sommer 2023, das Engelt nur moderat anzuheben, war in dem Gremium nicht einvernehmlich, sondern gegen die Stimmen der Arbeitnehmerseite gefallen. Die Kommission setzt sich zusammen aus einem Vorsitzenden, sechs stimmberechtigten ständigen Mitgliedern aus dem Kreis der Sozialpartner sowie zwei beratenden Mitgliedern aus der Wissenschaft ohne Stimmrecht. Den Vorsitz hat derzeit das ehemalige Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, Christiane Schönefeld, inne. Zum 1. Januar 2024 war der gesetzliche Mindestlohn von 12 Euro auf 12,41 Euro gestiegen. Zu Beginn dieses Jahres erfolgte eine weitere Anhebung auf 12,82 Euro brutto je Stunde. AgE